Lieber Leser,
es gibt in jedem Leben ein paar Dinge, die man einfach nicht vergisst.
Für mich ist es der 23.04.2015. Der Tag vor Mamas 62. Geburtstag.
Ich komme gerade nach Hause und muss eines der schwierigsten Dinge tun, die mir bis dahin untergekommen sind.
Ich rufe meine Eltern an, um ihnen zu sagen, dass ich morgen nicht kommen kann.
Und dann höre ich mich unter Tränen sagen: „Ich habe Krebs.“ Danach herrscht an beiden Enden des Hörers Schweigen. Das Einzige, was mein Vater noch sagen kann:
„Egal was passiert – niemals aufgeben.“ Mit gebrochener Stimme antworte ich: „Ja.“ und lege auf.
Ich habe nie aufgegeben und dadurch ist es auch möglich, dass du heute diesen Blogartikel lesen kannst.
Von 2015 bis 2017 ist viel passiert. Es ging auf und ab. Gesundheitlich. Privat. Wirtschaftlich.
Ich nehme dich in diesem Blog mit auf meine Reise. Vielleicht musst du derzeit Ähnliches erleben oder kennst jemand, dem diese Zeilen Hoffnung schenken – die Hoffnung auf Heilung.
Hoffnung, dass doch alles gut werden kann. Hoffnung auf ein erfülltes Leben ‚danach‘.
Wonach? Nach einem metastasierten Rektum-Karzinom. Im Volksmund – Darmkrebs im Endstadium.
Nach zwölf Operationen, vielen Strahlenbehandlungen und jeder Menge Chemie, die in meinen Körper geflossen ist, denke ich zu wissen, wovon Leute sprechen, wenn sie sagen, dass es ihr Leben auf den Kopf gestellt hat. Als Dankeschön für all‘ das, durfte ich auch einen künstlichen Darmausgang behalten.
Nicht, dass hier irgendwas in Vergessenheit gerät…😉
Wundere dich nicht – meine Vergangenheit ist hin und wieder nur mit einem zarten Schmunzeln oder Augenzwinkern zu ertragen. Du wirst hier ab und zu zwischen den Zeilen mit viel Ironie und Sarkasmus konfrontiert sein.
Ich wurde im April 2015 diagnostiziert wie man so schön sagt. Der Start war für mich die Charite in Berlin.
Dort begann bei einer niedergelassenen Gastroenterologin eine Woche nach meinem Befund der Kampf um mein Leben.
Im ersten Schritt wurde ein sog. Staging durchgeführt. Dadurch konnten die beteiligten Disziplinen feststellen, welches Ausmaß der Krebs bereits angenommen hatte.
Da ich Krankenschwester bin und natürlich auch sehr neugierig war, habe ich mir am letzten Tag des stationären Aufenthalts von einem Pfleger auf Station alle Befunde ausdrucken lassen.
Ich saß also abfahrbereit vor der Entlassung am dritten Tag im Schneidersitz auf meinem Bett. Mein Ex-Mann kam, um mich abzuholen und natürlich zu erfahren, wie die Ergebnisse der Untersuchungen wohl sein werden.
Mit jeder Seite, die ich umblätterte, schwand meine Hoffnung.
Zwischenzeitlich habe ich vor mich hingenuschelt: „Na gut, wer von euch möchte mir denn den Zettel jetzt an den Fuß knüpfen?“
Ich schüttelte immer nur den Kopf und sagte wieder und wieder: „Nicht gut. Gar nicht gut.“
Nachdem ich alle Befunde gelesen und meinem Ex-Mann versucht hatte zu erklären, was das alles bedeutet, kam ein Oberarzt zu uns, um die Ergebnisse zu besprechen.
Als alles gesagt war, klappte er meine Akte zu und sagte: „Es tut mir so leid.“
Und ich wusste – aha, er ist also für die Zettel am Fuß verantwortlich.
Zettel hin oder her. Es gab nun einen Plan. Der hieß: Eine erste vorbereitende OP, in der mir der Port implantiert, ein Stoma angelegt, meine Eierstöcke verlegt (wegen der Strahlenbelastung) und Lymphknoten aus meiner rechten Leiste entfernt werden.
Danach musste eine kombinierte Strahlen- / Chemotherapie durchgeführt werden, die zum Ziel hatte, den Tumor ausreichend zu schrumpfen, um gut operieren zu können. Er war zu diesem Zeitpunkt 10 x 15cm groß.
Das große Finale sollte dann DIE Tumor-OP sein und zum krönenden Abschluss, quasi als Epilog, durfte ich mich einer weiteren Chemotherapie über etwa 6 Monate unterziehen. Nur so. Zur Sicherheit. Der Fahrradhelm unter den Darmkrebsbehandlungen sozusagen.
Das klingt jetzt alles sehr klar strukturiert und gut händelbar. War es nicht.
Es gab zahlreiche Komplikationen und ungeahnte Zwischenfälle.
Aber wie sagt man so schön – das Ergebnis zählt. Und das Ergebnis ist, dass ich seit knapp einem Jahr die magischen 5 Jahre nach Diagnose überschritten habe und mich in den Nachsorgen exzellent schlage. Sprich – ich bin tumorfrei…!
Und so soll es bleiben.
Deine Claudia